Rückblick

Mit Schaufel und Forscherpass: Lange Nacht der Wissenschaften 2018 im Topoi-Haus Dahlem

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Exzellenzclusters Topoi zeigten mehr als 1500 Besucherinnen und Besuchern die Vielfalt altertumswissenschaftlicher Forschung

Das Thermometer hat an diesem Tag bereits die 30°C Marke überschritten und auch um 17 Uhr, als sich das Tor zum Garten des Topoi-Hauses für die ersten Besucherinnen und Besucher der Langen Nacht der Wissenschaften öffnet, ist es noch sommerlich warm. Auf den Wiesen rund um die Villa wimmelt es bald von Kindern. Ausgestattet mit Saftflaschen, Luftballons und Forscherpass, einem kleinen Heft, in dem sie sich ihre “Forschungsergebnisse“ an den verschiedenen Ständen bestätigen lassen können, wollen sie etwas über das Altertum erfahren. Erwachsene blättern im Programm: Vorträge, Workshops und Filme erwarten sie.

Der Garten des Exzellenzclusters Topoi bei der Langen Nacht der Wissenschaften 2018| © Götting.

Der Garten des Exzellenzclusters Topoi bei der Langen Nacht der Wissenschaften 2018| Photo: Eva Götting

Nicht nur das Exzellenzcluster Topoi will an diesem Tag Kinder und Erwachsene für Wissenschaft begeistern; rund 70 wissenschaftliche Einrichtungen in ganz Berlin und Potsdam bieten am 9. Juni ein breitgefächertes Programm. Mit Experimenten, Vorträgen, Workshops und Mitmachaktionen für Erwachsene und Kinder machen Forschende ihre Fachgebiete für die Besucherinnen und Besucher der Langen Nacht der Wissenschaft erlebbar.

Altamerikanische Klangwelten

Der Klang altamerikanischer Musikinstrumente dringt von einer Seite des Hauses herüber. Hier hat Friedemann Schmidt, Experte für historische Musik, seinen Stand aufgebaut. Ein Teenager in grauem T-Shirt steht mit seinen Eltern vor einer Sammlung von Flöten und Rasseln. Zwischen den Fingern dreht er eine Schnecke aus Keramik. Sie ist versiegelt. Ein Blasloch ist hineingebohrt. “Wo kommt der Ton denn wieder heraus?“, wundert sich der Junge. “So wie er hineingekommen ist“, erklärt der Forscher. “Aha, wie bei einer Flasche!“ “Genau, richtig.“

Altamerikanische Pfeifengefäße am Stand von Friedemann Schmidt | © Götting.

Altamerikanische Pfeifengefäße am Stand von Friedemann Schmidt | Photo: Eva Götting

Brot

Gleich neben dem Stand der Musikarchäologie lassen Studentinnen der Klassischen Archäologie die Gäste Speisen nach römischen Rezepten kosten. Eine Dame mit Hochsteckfrisur lässt sich die Globuli schmecken – süße Gries-Quark-Bällchen in Honig und Mohn. Über der Fischsauce der alten Römer kräuselt ein kleiner Junge die Nase. Römisches Brot ist an das Volk verteilt, aber wo sind die Spiele?

Speisen nach römischen Rezept werden probieren. | © Götting.

Speisen nach römischen Rezept werden probieren | Photo: Eva Götting

Antiken Schmuck basteln. | © Götting.

Antiken Schmuck basteln | Photo: Eva Götting

… und Spiele
Auf der großen Grünfläche hinter dem Topoi-Haus herrscht buntes Treiben. An einer Ecke des Topoi-Gartens puzzeln zwei Tüftlerinnen an antiken Bildmotiven. An vielen Tischen wird gebastelt: Schnipp, Schnapp macht die Schere, und eine Ankleide-Puppe aus Papier bekommt ein bronzezeitliches Gewand. Kleine Hände kneten eifrig Ton. Antike Schilde werden bemalt. “Mama, meinst du mein Schild schreckt die Feinde genug ab?“, fragt eine Grundschülerin.

Warum haben Skelette keine Nasen?

Es ist noch früh am Abend, als die promovierte Archäologin Jenny Schlehofer an einem menschlichen Miniatur-Skelett erklärt, was Anthropologen anhand von Knochenfunden herausfinden können. “Der hat ja gar keine Nase!“, ruft eines der Kinder, die ihre Köpfe über dem Tisch zusammenstecken. “Ja, das liegt daran, dass die Nase gar nicht aus Knochen ist. Die Nase ist aus Knorpel.”, erklärt die Wissenschaftlerin lächelnd und fährt sich über die eigene. “Ahh…“ Nachdenklich greifen die Kinder sich an die Nasen und schieben sie prüfend hin und her.

LNDW 2018 Topoi / Jenny Schlehofer erklärt, was Anthropologen anhand von Knochen herausfinden können

Jenny Schlehofer erklärt, was Anthropologen anhand von Knochen herausfinden können | Photo: Eva Götting

LNDW 2018 Topoi / Am Stand der Unterwasserarchäologie (VUBB.e.V.)

Am Stand der Unterwasserarchäologie (VUBB.e.V.) | Photo: Eva Götting

Abtauchen in die Unterwasserarchäologie

Es wird bereits dunkel. Ein Unterwasserarchäologe am Stand des Vereins für Unterwasserarchäologie Berlin-Brandenburg (VUBB) lädt eine Besucherin dazu ein, mit dickem Neoprenhandschuh einen archäologischen Fund zu zeichnen. Konzentriert und belustigt widmet sie sich ihrer Aufgabe. Das Zeichnen mit dem Handschuh ist mühsam. Trotzdem nimmt auf dem Millimeterpapier ein Fund langsam Formen an. “Wie viele Details muss ich denn zeichnen?“, fragt sie in einem ersten Anflug von Frustration. Der Taucher lächelt. “Sie müssen sich das erstmal vorstellen, wenn sie horizontal im Wasser schweben!“ Unter diesen erschwerten Umständen unter Wasser Notizen und Zeichnungen anzufertigen zu müssen, ist sicher nicht so einfach für die Archäologen.

Schaufel und Forscherpass

Im Topoi-Garten ist der Boden in zwei säuberlich abgesteckten Quadranten aufgebuddelt worden. Mädchen und Jungen halten bunte Plastikschaufeln und suchen fieberhaft nach Schätzen. Hier kommt eine Perle zu Tage, dort eine Scherbe. Im Ausgrabungszelt nebenan sitzt ein Junge mit Fußballtrikot und Schirmmütze. Um einen Stempel in den Forscherpass zu bekommen, muss er Fragen beantworten. Er weiß natürlich, dass die Römer Olivenöl und Getreide hatten. Der Stempel senkt sich wohlverdient in den Pass, den er an einer Schnur um den Hals trägt.

LNDW 2018 Topoi / Archäologische Kindergrabung im Vorgarten des Topoi-Hauses

Archäologische Kindergrabung im Vorgarten des Topoi-Hauses | Photo: Eva Götting

Bohrkerne erzählen eine Geschichte

Philipp Hoelzmann, promovierter Geograph, steht am Stand der Physischen Geographie der Freien Universität. Die meisten Gäste der Langen Nacht, die zu ihm kommen, wissen schon, dass ein Bohrkern eine Geschichte erzählt. Ein junges Pärchen bleibt interessiert vor dem XRF-Gerät stehen. Es wird gefachsimpelt. Der junge Mann mit Bart und Schiebermütze ist zwar nicht Geograph, aber auch er analysiert beruflich Legierungen mit dem Gerät. Eine andere Besucherin möchte gerne sehen, wie das gemacht wird. Zur Demonstration legt der Wissenschaftler eine Probe in die Maschine. Ein paar Klicks am Laptop und das Ergebnis ist da: Eine Kupfer-Nickellegierung im Verhältnis 7:3.

LNDW 2018 Topoi / Demonstration des XRF-Gerätes durch Philipp Hoelzmann

Demonstration des XRF-Gerätes durch Philipp Hoelzmann | Photo: Eva Götting

Vortragsprogramm im Saal

Die wenigen Steinstufen hoch ins Haus sind schnell erklommen. Im Erdgeschoss sind die Stuhlreihen im Vortragssaal besetzt mit Gästen der Langen Nacht. Sabine Karg, Prähistorische Archäologin an der Freien Universität Berlin, erklärt den Speiseplan des “Grauballe-Mannes”, einer dänischen Moorleiche aus der Eisenzeit. Besonders üppig war sein letztes Mahl nicht: Roggen und Unkraut. Der Abend bietet ein dichtes Vortragsprogramm von verschiedensten Disziplinen der Altertumswissenschaft. Von den archäologischen Grabungen im römischen Pompeji hören die Gäste und von der Fürstenmedizin im alten Mosul. In Kindervorträgen erzählen die Altertumswissenschaftlerinnen und Altertumswissenschaftler anschaulich über “Die Augenklappe des Piraten“ und die Kaiser und das Meer.

Sabine Karg hält einen Vortrag zu „Kulinarische Zeitreise – Nutzpflanzen in der Antike“ | Photo: Eva Götting

Sabine Karg hält einen Vortrag zu “Kulinarische Zeitreise – Nutzpflanzen in der Antike“ | Photo: Eva Götting

Von Zikkurrats und Pyramiden

Im Raum nebenan zeigen die Forschenden des Deutschen Archäologischen Instituts Modelle und 3D Rekonstruktionen historischer Bauwerke. Was wissen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler heute über die Techniken, die beim Bau der Pyramiden zum Einsatz kamen?  Was ist eine Zikkurrat? Wird im mesopotamischen Uruk seit dem Ende des Irakkrieges wieder geforscht? Die Archäologinnen und Archäologen kennen die Antworten.

LNDW 2018/ Anja Fügert erklärt das Modell der Stufenpyramide von Uruk | Photo: Eva Götting

Die Archäologin Anja Fügert erklärt das Modell der Stufenpyramide von Uruk | Photo: Eva Götting

LNDW 2018 / Römerschlacht hinter dem Topoi-Haus | © Götting

Römerschlacht hinter dem Topoi-Haus | Photo: Eva Götting

Antiker Waffengang
Inzwischen funkeln die Sterne über dem Gelände der Langen Nacht der Wissenschaften. Vorbei an Toga-Trägern, Wikingern und Bogenschützen geht es in den hinteren Teil des Gartens. Hier tobt eine Schlacht in der Dunkelheit. Römer gegen Germanen. Plastikschwert gegen Pappschild kämpfen die Kinder unermüdlich. Pausen werden nur knurrend hingenommen. Irgendwann sind dann auch die letzten kleinen Kämpferinnen und Krieger müde.

Mehr als 1500 Kinder und Erwachsene besuchten dieses Jahr das Exzellenzcluster Topoi, während der Langen Nacht der Wissenschaften. Obwohl die Besucherzahlen in Berlin insgesamt rückläufig waren, konnte sich Topoi über einen Anstieg der Gästezahlen freuen. Beladen mit Forscherpass und neuem Wissen über die alte Welt ziehen die Besucherinnen und Besucher heim. Und die Gartentür schließt sich für die Gäste der Langen Nacht der Wissenschaften – bis zum nächsten Jahr …

 

Text und Fotos: Eva Götting
Diese Reportage von der Langen Nacht der Wissenschaften 2018 entstand im Rahmen des Seminars “Mehr als Schätze und Abenteuer: Öffentlich kommunizieren in den Altertumswissenschaften“ an der Freien Universität Berlin.

 

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